Ein Gespräch mit dem Autor Andreas Giger
        Herr Giger, Sie sind
          gelernter Sozialwissenschaftler und haben lange im Bereich Marketing-Forschung
          gewirkt. Dann sind Sie Autor geworden und haben mittlerweile acht so genannte
          Marken-Krimis geschrieben. Wie geht das zusammen?
        Das geht sogar sehr gut zusammen, nur hat es seine
          Zeit gedauert, bis ich das selber realisiert habe...
        Wie ging diese
          Geschichte?
        Geschrieben habe ich immer gerne und viel, allerdings
          vorwiegend Sachbücher über Werte im Allgemeinen und einzelne Werte wie
          Lebensqualität, Reife oder Zufriedenheit. Anlässlich meines sechzigsten
          Geburtstags wollte ich den Gästen, die ich zur Feier des Tages zu mir ins
          Appenzellerland eingeladen hatte, etwas mitgeben, was ihnen meine Faszination
          für diese Gegend näher bringt. Intuitiv habe ich gespürt, dass dafür eine
          spannende Geschichte besser geeignet ist als ein Sachbuch. So habe ich meinen
          ersten Krimi geschrieben und in einer Kleinauflage drucken lassen.
        Das war also noch
          keine Marken-Krimi?
        Doch. Da ich wusste, dass viele meiner ausländischen
          Gäste das Appenzellerland vor allem mit den dazu gehörigen Käse verbinden,
          spielte das Geheimrezept von Appenzeller Käse in der Krimi-Handlung eine
          wichtige Rolle. Als das Echo der Gäste auf meinen ersten Krimi positiv ausfiel,
          habe ich mich getraut, damit zu den Verantwortlichen von Appenzeller Käse zu
          gehen. Diese haben darin ein ebenso originelles wie nachhaltig wirksames
          Werbegeschenk gesehen und das Ding gleich in einer grösseren Auflage drucken
          lassen. Damit war die Idee des Marken-Krimis geboren.
        Das war also nur der
          Anfang?
        Ja. Ich habe meinen Erstling zu einer Trilogie von
          Appenzeller-Käse-Krimis erweitert und später anlässlich des Jubiläums „500
          Jahre Appenzell bei der Eidgenossenschaft“ einen Krimi rund um die Marke
          Appenzell als Ganzes geschrieben. Dazu kamen jeweils eigens geschriebene Krimis
          für eine grosse Gartenbaufirma, für eine Seniorenresidenz, für ein Unternehmen,
          das pflanzliche Heilmittel herstellt, und für ein Bergbahnunternehmen.
        Das sind ja sehr
          unterschiedliche Kunden. Was verbindet denn Ihre Marken-Krimis?
        Ganz einfach: In jeder meiner Geschichten spielen die
          Marke des Kunden und einzelne ihrer Repräsentanten eine wichtige, wenn nicht
          zentrale Rolle.
        Es geht also um eine
          Art Product Placement auf höherer Ebene?
        Wenn Sie so wollen, ja. Nur hat Product Placement, das tatsächlich auch in der Literatur Einzug gehalten hat, immer
          noch einen leicht anrüchigen Ruf und wird deshalb eher verschämt behandelt. In
          meinen Geschichten stelle ich die Marke ganz bewusst und offensiv ins Zentrum.
        Fühlen sich dadurch
          gewöhnliche Krimi-Leser nicht belästigt?
        Das könnte sein, doch die sind nicht das primäre
          Zielpublikum. Zielpublikum eines Marken-Krimis sind jene Menschen, die bereits
          eine Beziehung zur jeweiligen Marke haben, sei es als Kunden, als Mitarbeitende
          oder als andere zugewandte Orte. Meist wird ein Marken-Krimi exklusiv an diese
          Zielgruppe verschenkt. So finden die Leserinnen und Leser in Form der ihnen
          vertrauten Marke einen Anknüpfungspunkt in der Geschichte.
        Dann funktioniert
          das also ähnlich wie bei den Heimat-Krimis, nur dass man in einem Marken-Krimi keine
          geografische, sondern eine geistige Heimat findet?
        Das haben Sie gut erfasst. In der Tat boomen ja die
          Regional-Krimis deshalb, weil die Menschen es lieben, in einer fiktiven
          Geschichte auf eine vertraute Umgebung zu stossen – und im besten Fall
          darüber auch mehr zu erfahren. Dieses Phänomen ist in einer Marken-Umgebung
          genau so wirksam.
        Nüchtern betrachtet
          ist ein Marken-Krimi also nichts anderes als ein etwas ausgefalleneres Kunden-
          und Mitarbeiter-Geschenk...
        Das ist so, und das ist gut so, denn der Grundsatz,
          wonach kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, gilt nach wie vor, wenn
          nicht mehr denn je. Ein solches Geschenk ist Beziehungspflege im besten Sinne
          des Wortes. Es wird kaum zu direkten Mehrverkäufen führen, doch es schafft
          Sympathien für die Marke und schärft deren Profil, beides Wirkungen, die sich
          langfristig zweifellos auszahlen. Ich bin überzeugt davon, dass eine solche
          Marken-Geschichte als Geschenk an die Shareholder sowohl materielle wie
          immaterielle Werte schafft – Wertschöpfung in ihrer besten Form. 
        Warum soll
          ausgerechnet ein altmodisches Medium wie das Buch wirksamer sein als ein
          anderes Geschenk?
        Erstens: die meisten Menschen lieben Geschichten
          weitaus mehr als trockene Fakten und Statistiken und fühlen sich davon auch auf
          einer emotionalen Ebene angesprochen. Zweitens handelt es sich um ein
          einmaliges und exklusives Geschenk, und nur das Einzigartige hat eine Chance,
          im Wettbewerb um Aufmerksamkeit zu bestehen. Und drittens wirkt eine Geschichte
          nachhaltig. Es dauert, bis man sie gelesen hat, und danach kann man sie erst
          noch weiter verschenken.
        Sind Ihre Krimis
          eigentlich eine Art verlängerter Werbespot für eine Marke?
        Nein. Zum einen ist die Marke in der Geschichte zwar
          wichtig, aber noch wichtiger ist die Story selbst. Man muss diese auch mit
          Spannung und Vergnügen lesen können, wenn man die Marke nicht näher kennt. Zum
          anderen hebe ich die Marke keineswegs auf einen Sockel. Ich spiele vielmehr mit
          den Geschichten und Mythen, die sich um sie ranken, und nehme auch mal was
          davon auf die Schippe. Eine starke Marke verträgt das, sie wird dadurch im Gegenteil
          noch stärker.
        Sie sprechen
          neuerdings lieber von Business Fiction als von Marken-Krimis. Sind Sie des
          Krimischreibens müde geworden?
        Keineswegs, und wer will, bekommt nach wie vor einen
          Marken-Krimi. Ich habe nur festgestellt, dass die Vorstellung, die eigene Marke
          in einem Kriminalfall auftauchen zu sehen, auf manche Leute abschreckend wirkt.
          Nun gehörten meine Krimis nie zur blutig-brutalen Sorte, sie sind eher
          locker-flockig geschrieben, und in der Handlung muss nicht mal unbedingt eine
          Leiche auftauchen. Doch zu mancher Marke passt vielleicht wirklich kein Krimi,
          sondern vielleicht eine Abenteuergeschichte oder eine Romanze. 
        Warum muss es denn
          unbedingt Fiction sein?
        Zunächst noch einmal: Menschen lieben Geschichten, sie
          sind geradezu süchtig danach. Das können natürlich auch wahre Geschichten sein,
          doch die wahre Geschichte der meisten Marken lässt sich auf ein paar Seiten
          zusammenfassen. Ich baue solche Elemente gerne ein, doch in einer erfundenen
          Geschichte mit all ihren schöpferischen Freiräumen steckt ein enormes
          zusätzliches Potenzial, um das Bild der Marke nachhaltig zu prägen.
        Würden Sie für eine
          Marke auch eine Science Fiction-Geschichte schreiben, also eine Geschichte, die
          in der Zukunft spielt?
        Gut, dass Sie das erwähnen. Im Zuge meiner Recherchen
          über Business Fiction bin ich neulich auf ein 21012 veröffentlichtes Buch
          gestossen, das genau so heisst. Der Untertitel lautet „Die Kunst der
          Strategie-Erzählung.“ Und im Klappentext heisst es: »Strategische Erzählungen
          statt langweiliger Zahlenkolonnen. "Business Narrative" ist eine
          besonders anschauliche Methode, die Strategie eines Unternehmens ... in
          packenden Geschichten und Bildwelten zu erklären.«
        Ich habe mich dann daran erinnert, dass ich genau so
          eine Geschichte schon im Jahr 1989 (!) für eine grosses
          Marktforschungsunternehmen geschrieben habe. Und das Vorwort der
          Geschäftsleitung trug den Titel „Business Fiction“...
        Danach habe ich übrigens noch einige solche visionären
          Geschichten geschrieben, in denen es um die Zukunft eines Unternehmens ging,
          und zwar so, dass diese Zukunft erzählt wurde, als sei sie schon geschehen. Ja,
          Science Fiction kann gut eine Spielart von Business Fiction werden.
        Wenn es nicht Form
          oder Genre ist, was ist denn dann für Sie das zentrale Element von Business
          Fiction?
        Das Narrative, das Erzählerische, also, dass eine
          Botschaft in die Form einer Geschichte eingekleidet wird. Damit erreicht man
          wesentlich mehr Menschen als mit trockenen Sachargumenten, und man spricht sie
          auf einer tieferen Ebene an. Als Kommunikationsmedium sind spannende,
          vergnügliche und informative Geschichten unübertroffen. So einfach ist das...
        Apropos einfach: Ich
          stelle mir Herstellung und Vertrieb eines Marken-Krimis oder eines anderen
          Stücks Business Fiction im Gegenteil ziemlich aufwändig und kompliziert vor.
          Ist das nicht so?
        Nein. Zunächst kommt ja das Schreiben, und das ist im
          Wesentlichen meine Sache. Dank meiner Erfahrung geht das mittlerweile leicht
          und schnell. Natürlich recherchiere ich im Vorfeld auch beim Kunden, doch
          ausser dem Liefern einiger Informations-Inputs und dem Gegenlesen, Korrigieren
          und Ergänzen meines ersten Manuskriptentwurfs hat der Kunde in dieser Phase
          nicht viel zu tun. Auch finanziell ist er abgesichert, ich verrechne nämlich
          für mein Schreiben ein im Voraus vereinbartes fixes Pauschalhonorar.
        Dann kommt der Druck der benötigten Anzahl Exemplare,
          wofür es heute eine Reihe von einfachen, schnellen und preisgünstigen Angeboten
          gibt. Auftraggeber ist natürlich der Kunde, doch ich unterstütze ihn bei der
          Auswahl eines geeigneten Druckers gerne. Selbstverständlich können auch
          digitale Leseangebote integriert werden.
        Schliesslich gilt es, die Bücher an den Mann bzw. an
          die Frau zu bringen. Wie dies am besten geschieht, hängt natürlich von der Art
          des Geschäfts des Auftraggebers ab. Am einfachsten haben es Unternehmen, die
          einen längeren direkten Bezug zum Kunden haben (Hotels, Reiseveranstalter),
          oder Versandhändler aller Art, die das Buchgeschenk einer normalen Lieferung
          beilegen können. Relativ einfach ist der Geschenkversand auch für Unternehmen,
          die ständig postalischen Kontakt zu ihren Kunden haben (Banken, Versicherungen
          etc.). In anderen Fällen gilt es, individuelle Lösungen zu entwickeln, wofür
          ich ebenfalls mit Rat und Tat zur Verfügung stehe.
        Dann richtet sich
          Ihr Angebot, exklusive Business Fiction zu schreiben, also an alle Unternehmen?
        Schon nicht ganz. Ein ganz kleines Unternehmen wird
          das dafür benötigte Budget wohl kaum aufbringen können. Vor allem aber darf ein
          potenzieller Auftraggeber nicht ausschliesslich in konventionellen Bahnen
          denken und in Marketing, Kommunikation und Kundenpflege nur das tun, was man
          immer getan hat, oder was alle anderen auch machen. Vielmehr muss er (oder
          sie!) offen sein für eine aussergewöhnliche Idee und den Mut haben, diese
          umzusetzen, auch wenn sie nicht völlig risikofrei ist.
        Worin besteht denn
          dieses Risiko?
        Nun, theoretisch könnte mir ja einfach keine gute
          Geschichte einfallen. Diese Gefahr ist allerdings gering. Zusätzlich zu den
          bereits fertig gestellten Krimis habe ich, gleichsam prophylaktisch, einige
          Anfänge geschrieben, und dabei hat mich meine Phantasie nie im Stich gelassen.
          Oder die fertige Geschichte könnte dem Auftraggeber nicht gefallen. Auch das
          ist bisher nie passiert, nach der selbstverständlichen Berücksichtigung
          allfälliger Korrektur- oder Ergänzungswünsche sind meine Krimis immer gut
          angekommen. So gesehen ist das Risiko tatsächlich klein.
        Eine Frage hätte ich
          zum Schluss noch: Im Grunde ist Ihr Konzept von Business Fiction doch ein
          Widerspruch in sich. Sie erfinden zwar eine Geschichte, das ist Fiction. Doch
          Sie verarbeiten darin eine reale Marke, ein reales Unternehmen, und das sind
          Facts. Wie lösen Sie diesen Konflikt zwischen Fiction und Facts?
        Indem ich damit spiele. Gelungen ist mir das, wenn
          meine Leserinnen und Leser fiktionale Passagen für real halten – und
          umgekehrt. Das kommt durchaus vor. Und dass die Grenzen zwischen den beiden
          Ebenen fliessend und durchlässig sind, sieht man ja auch an diesem fiktiven
          Gespräch...
        25. März 2015