Reformierte
Presse – Wochenzeitung der reformierten Kirchen, 9. März 2012
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Ein Weg vom Allzweck- Intellektuellen zum Krimiautor
Geistige Freiheit und Unabhängigkeit sind
Andreas Giger aus Wald AR so wichtig, dass er immer seinen eigenen Weg ging.
Tatsächlich musste ich
sechzig werden, um einen Krimi zu schreiben. Und zwar buchstäblich: Als
ich mir überlegte, was ich den Gästen meiner Geburtstagsfeier als Andenken
mitgeben könnte, kam ich auf die Idee, einen Appenzeller Krimi zu schreiben.
Dabei merkte ich rasch, wie viel Spass das Schreiben
macht.
In diesem Roman geht
es um Geheimnisse und Mythen des Appenzellerlands im allgemeinen und dessen Käse im besonderen. Die
Sortenorganisation Appenzeller Käse fand Gefallen daran und hat ein paar
tausend Exemplare als Geschenk für Partner und treue Gäste drucken lassen.
War das nun wirklich
ein Wendepunkt in meinem Leben? Nicht, wenn man darunter eine
Richtungsänderung um neunzig oder hundertachtzig Grad versteht. Ich erinnere
mich nämlich an einen Spaziergang in den Studentenjahren,
während dem sich eine innere Stimme meldete: »Ich will schreiben!« Aber nicht irgendetwas, sondern Belletristik.
Daraus wurde nichts.
Geschrieben habe ich zwar im Laufe meines Lebens viel, aber eben nicht Romane, sondern sozialwissenschaftliche Berichte, politische Postulate, journalistische Artikel und ähnliches. Kurzum:
Ich habe meinen Lebensunterhalt 35 Jahre lang als freischaffender AllzweckIntellektueller
verdient.
Unabhängiges
Denken
Ein wesentlicher Teil
bestand in meiner Werteforschung, die in die Gründung der Stiftung «Spirit.ch -
für nachhaltige Lebensqualität» mündete. Ich habe mich aber nie fest anstellen
lassen, da mich die Regeln und Zwänge eines Angestelltendaseins einengen würden. Aus der Kirche bin ich früh ausgetreten, weil ich mich
nicht an ein festes Glaubenssystem binden wollte. Auch die Politik habe ich
nach einem erfolgreichen Jahrzehnt aufgegeben, weil ich es nicht mehr
schaffte, einseitig nur die eine parteiliche Meinung vertreten zu müssen.
Geistige Freiheit und
Unabhängigkeit waren mir immer ein zentrales Anliegen. Vielleicht bin
ich durch meinen Vater geprägt, in dessen Nachlass sich das Motto fand: «Wer
sich das Denken abnehmen lässt, dieses einzig absolut Eigene, was der
Mensch besitzt, mit dem ist es aus.» Das Vertrauen in die eigenen
Fähigkeiten, wie auch den inneren Kompass, habe ich mir in einem
langen Reifungsprozess auf nicht immer einfache Weise erworben. Dabei habe
ich gelernt, dass das, was man im Leben erreicht, immer eine Mischung aus eigenem Verdienst und so etwas wie Gnade ist. Als Agnostiker
kann ich den Absender dieser Gnade nicht benennen, wohl aber so etwas wie
Führung auf meinem Lebensweg erfahren.
Nun bin ich gespannt,
welche überraschenden Abzweigungen dieser Weg für mich noch bereithält.
Meine Neugier und Offenheit dafür sind mit dem Schreiben jedenfalls
gewachsen.
Aufgezeichnet
von Herbert Pachmann. |